Übergangstheorie

Übergangstheorie
Theorie des „demographischen Übergangs“. 1. Begriff: Von dem englischen Demographen Thompson 1928 zur Diskussion gestellt und von dem US-Amerikaner Notestein ab 1944 weiterentwickelt. Die demographische Ü. ist die einflussreichste Theorie der neuzeitlichen Bevölkerungsentwicklung geworden. Sie belegt nach europäischem Ländervergleich, dass sich vorindustrielle Bevölkerungsstrukturen mit hohen Geborenenziffern und fast ebenso hohen Sterbeziffern im Zuge der Industrialisierung auf einen Transformationsprozess begaben, der sie durch ein Stadium verstärkten Wachstums führt, bis in der Schlussphase nach Erreichen eines neuen Gleichgewichts mit niedrigen Sterbeziffern und ebenso niedrigen Geborenenziffern erreicht wird. Dieses Durchschreiten des nach einem 4-Phasen-Schema geordneten Übergangs geht einher mit der Umstrukturierung der Produktion, der politischen Verhältnisse und der Familienformen. In Europa galt bis Mitte des 20. Jh. der Übergang für abgeschlossen. Nun verfolgt man die Entwicklungskontinente hinsichtlich ihres Verrückens im Übergang, das mit Wirtschaftserfolg und Modernisierung gleichgesetzt wird. Afrika steht in der Mittelphase der „Bevölkerungsexplosion“ und hat den weitesten Weg vor sich; gefolgt von Lateinamerika, Zentralasien (indischer Subkontinent) und schließlich Ostasien, das am weitesten fortgeschritten ist, schon europäisches Sterblichkeitsniveau erreicht hat, dem die Geburtenniveaus absehbar nachfolgen werden. Für Europa ist die Anfügung einer weiteren Phase aufgrund der Entwicklung seit 1965 in fast allen Industrieländern, bes. der Bundesrepublik Deutschland, zu überlegen. Der Geburtenrückgang hat sich auf ein Niedrigniveau begeben, da die Zahl der Geburten unabsehbar hinter der Zahl der Sterbefälle zurückbleibt.
- 2. Bedeutung: Die Forschung der vergangenen 20 Jahre hat gezeigt, dass der demographische Übergang in vielen Teilen Europas komplizierter verlief. Die Ü. ist infolgedessen als starke Vereinfachung wirklicher historischer Verläufe anzusehen. Ob die Verläufe auch auf die Verhältnisse in den Entwicklungsländern mit anderen kulturellen Traditionen angenommen werden können, wird stark bezweifelt. Das stationäre Gleichgewicht der Weltbevölkerung dürfte sich Ende des kommenden Jahrhundert zwischen 10–12 Mrd. einspielen und dabei einen alternativen Modernisierungspfad eingeschlagen haben müssen. Der demographische Übergang muss noch von der Wirtschaftsentwicklung absolviert werden, ebenso wird eine technologische Entwicklung von höchstem Reifegrad (Niedrig-Energie-Systeme) eingeführt werden müssen.
- Vgl. auch  Perspective-Modell.

Lexikon der Economics. 2013.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Perspective-Modell — Bevölkerungsprojektion, entwickelt im Auftrag der UN (Population Division) durch Frejka nach dem Konzept der ⇡ Übergangstheorie. Aus der Berechnung der Auswirkungen des starken Wachstums im Zwischenstadium des demographischen Übergangs durch… …   Lexikon der Economics

  • Bedeutung (Philosophie) — Bedeutung ist ein grundlegender Begriff in der Linguistik und Sprachphilosophie. Wichtig ist der Begriff auch in der Informatik, der Forschung zur Künstlichen Intelligenz und in den Kognitionswissenschaften. Es gibt verschiedene Ansätze zur… …   Deutsch Wikipedia

  • Bedeutung (Sprachphilosophie) — Bedeutung ist ein grundlegender Begriff in der Linguistik und Sprachphilosophie. Wichtig ist der Begriff auch in der Informatik, der Forschung zur Künstlichen Intelligenz und in den Kognitionswissenschaften. Inhaltsverzeichnis 1 Ansätze zur… …   Deutsch Wikipedia

  • Ulrich Beck — Ulrich Beck, 2007 Ulrich Beck (* 15. Mai 1944 in Stolp in Hinterpommern) ist ein deutscher Soziologe und führender Theoretiker der Risikogesellschaft. Er war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig Maximilians Universität München und ist… …   Deutsch Wikipedia

  • Ulrich Beck (Soziologe) — Ulrich Beck (* 15. Mai 1944 in Stolp in Hinterpommern) ist ein deutscher Soziologe und momentan Professor für Soziologie an der Ludwig Maximilians Universität München und der London School of Economics and Political Science. Inhaltsverzeichnis 1… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”